Wir haben bereits gesehen, wie Glaubenssätze entstehen können. Sie scheinen sich selbst erhalten zu wollen, was uns daran hindern kann, Neues spielerisch auszuprobieren, tolerant zu sein, entspannt zu sein... uns weiterzuentwickeln auf den verschiedensten Ebenen.
Wir haben erfahren, wie schwierig es ist, sie abzulegen und sie einfach auszurangieren wie einen alten Pulli, der seine besten Zeiten hinter sich hat und jetzt einfach nicht mehr passt.
Ich möchte an dieser Stelle das Konzept der "inneren Antreiber“ vorstellen, das auf die Transaktionsanalyse (Eric Berne, 1910-1979) zurückgeht und von Autoren wie Taibi Kahler, Mary und Robert Goulding, Bernd Schmid u.a. weiterentwickelt wurde. Dabei handelt es sich um Botschaften, die an uns als Kinder in Form von Einschärfungen herangetragen wurden und sich später in Denk- und Verhaltensmustern wiederspiegeln.
Unsere Eltern und Bezugspersonen kontrollierten und steuerten unsere Verhaltensweisen mit der (vielleicht unbewussten) Absicht, dass wir uns einmal gut in der Welt zurechtfinden sollten. Durch ihre Erziehungsmaßnahmen stellten wir als Kind Grundannahmen über uns sowie über die Zusammenhänge zwischen uns und unserer Umwelt her. Wir entwickelten Handlungs- und Verhaltensstrategien, die auf Annahmen und Glaubenshaltungen, wie unsere kleine Welt funktionieren würde, beruhten. Somit konnten wir uns bestmöglich an die Anforderungen unterschiedlicher Lebenssituationen anpassen. Auf einer Art „inneren Landkarte“ sind unsere Werte, Überzeugungen und Vorstellungen über unsere (Um-)Welt heute noch abgebildet. Sie ist grundsätzlich durch Erfahrungen und Lernprozesse erweiterbar, bestimmt aber weitgehend unsere Wahrnehmung, unser Empfinden, unser Denken und Handeln und legt unser Verhaltensspektrum fest.
In meinem Kopf kommentieren sie mein Verhalten und Tun mal flüsternd, mal erbost, mal verurteilend. Wie unerwünschte Untermieter geben sie zu allem ihren Senf, obwohl sie nicht gefragt werden und Miete zahlen sie auch keine! Unser innerer Kritiker kann unterschiedliche Nuancen annehmen und so spricht er mit unterschiedlichen Stimmen zu uns, um uns anzutreiben und eine Verhaltensänderung herbeizuführen:
Ich höre ihn z.B. sagen:
„Streng dich an! Das musst du hinkriegen! Du willst doch kein Versager sein!“
„Reiß dich zusammen! Jetzt keine Schwäche zeigen! Was denken sonst die anderen?“
„Du lahme Ente! Los, mach schneller! Komm endlich in die Pötte!“
„Sei vorsichtig! Pass auf, was du sagst! Halte deine Bedürfnisse zurück!“
„Das reicht nicht! Das ist nicht gut genug! Jetzt bloß keinen Fehler machen!“
Ursprünglich von unseren Bezugspersonen als Einschärfungen ausgesprochen haben wir sie irgendwann in uns absorbiert: Denn diese Botschaften zu befolgen, sicherte uns Zugehörigkeit und Sicherheit. Wir haben gelernt, dass wir o.k. sind, wenn wir uns entsprechend verhalten. Entsprach unser Verhalten nicht den Vorstellungen, so wurden wir getadelt, was Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle bei uns ausgelöst hat. Um die dadurch entstandenen Verletzungen zu kompensieren, etablierte sich ein „Überlebensprogramm“: Wir haben die ursprünglichen „Außenstimmen“ geschluckt und verinnerlicht, um zu vermeiden, dass wir wieder in ähnliche seelische Notsituationen kommen. Heute werden sie durch die Stimmen der inneren Untermieter, unserer „Antreiber“, repräsentiert. Sie kritisieren und bewerten uns, stacheln uns an, warnen und belehren uns und nerven insgesamt ziemlich!
Doch wir wissen jetzt, dass sie die gute Absicht haben, uns vor unangenehmen Situationen und den daraus resultierenden negativen Gefühlen zu schützen – daher gehen sie so rigoros vor!
Wenn wir den Stimmen der Antreiber Folge leisten, kann es im Erwachsenenalter zu einer Selbstüberforderung kommen: Wir können unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen, weil wir gelernt haben, dass es besser ist, Gefühle zu unterdrücken, um nicht bloßgestellt zu werden. Wir beobachten das Gegenüber genau, um unser Verhalten anzupassen, da wir Angst vor Zurückweisung haben oder niemandem auf die Füße treten wollen und Konflikte vermeiden möchten. Im Alltag sind wir möglicherweise sehr gestresst sind, weil wir denken, dass wir alles möglichst schnell erledigen müssen und am liebsten mehrere Dinge gleichzeitig tun. Oder wir meinen, uns wahnsinnig anstrengen zu müssen, weil ein Erfolg nur dann zählt, wenn er hart erarbeitet wurde. Möglicherweise legen wir auch einen übertriebenen Perfektionismus an den Tag, um von anderen akzeptiert zu werden und Fehlermachen empfinden wir als persönliche Niederlage.
In der Literatur wird von fünf Antreibern ausgegangen:
Wenn du wissen möchtest, welche Antreiber bei dir das Sagen haben und welche eher Nebendarsteller sind, kannst du folgenden TEST durchführen.
Anleitung: Vergib für die 40 Aussagen zwischen 1 Punkt (Aussage trifft gar nicht zu) und 5 Punkten (Aussage trifft voll und ganz zu). Nach der Bearbeitung übertrage die Punkte, die zur jeweiligen Farbe gehören, in die Kästchen und addiere sie anschließend.